Früher war Sommer die Zeit, um die Basis zu legen – für Wettkämpfe im Herbst, Treppenmarathons in Südamerika, Podestplätze in Asien. Ich schwitzte, weil ich Leistung abrufen wollte. Alles drehte sich um Stockwerke, Kilometer, Puls, Technik, Präzision. Das Schwitzen hatte Richtung.
Heute schwitze ich anders.
Nicht weil ich renne, sondern weil ich sitze. Weil ich mich in Indien im Monsun zwischen Gedanken verliere, die eigentlich verschwinden sollten. Weil mein Körper ruhig ist, aber mein Geist noch sprintet wie ein Weltmeister.
Ich beobachte. So gut ich kann. Jeden Atemzug, jede Regung. Aber wie früher auf der Treppe überspringe ich unbewusst ein paar Stufen, Gedanken, Gefühle. Nicht weil ich will oder es plane – sondern weil es passiert. Damals reichte es trotzdem zum Gewinnen. Heute vielleicht für einen Moment von Klarheit.
Also packe ich wieder meinen Rucksack. Nicht mit dem Ziel, einen Sieg nach Hause zu holen, sondern nach Hause zu mir und in Stille zu kommen.
Ich fliege nach Mumbai. Dann weiter nach Igatpuri, wo es kein Rennen gibt, kein Hochhausturm, der wartet. Nur Sitzen, Schweigen und Wiedersehen mit dem, was ich schon einmal erlebt habe und mit dem, was bleibt, wenn alles andere aufhört.
Es könnte einsam klingen – aber das ist es nicht. Erinnerungen tauchen auf wie Zuschauer am Streckenrand. Manche jubeln, manche rufen motivierende Sätze. Einige kritisieren. Und die Angst, ob ich mich genug anstrenge, ob es reicht, läuft meist mit, wie ein Schatten im Windschatten.
Unruhe? Kommt.
Schmerz? Kommt.
Fluchtgedanken? Natürlich.
Aber wie im Sport bringen die Ausreden niemanden ins Ziel.
Also bleibe ich – wie seit Jahrzehnten geübt bei der Technik, mit Disziplin, mit klarem Fokus.
Wie früher auf den Stufen. Nur heute auf einer anderen Ebene.
Körperlich macht mich das Sitzen nicht schneller oder fitter. Aber im Kopf werde ich klarer. Und leichter. Nicht weil ich Kalorien verbrenne, sondern weil sich Ballast löst.
Ohne Leistung. Ohne Trophäe. Nur durch Hinschauen.
Viele glauben, das sei Magie. Aber das ist es nicht. Das ist 2.500 Jahre alte buddhistische Vipassana Meditationspraxis.
Laufen hat meinen Körper trainiert. Meditation trainiert jetzt meinen Geist.
Darum bin ich in diesem Sommer weg. Offline. In einem anderen Trainingslager – ohne Stoppuhr, ohne Applaus.