Es wirkt spielend leicht, wenn man die Profis auf dem Wasser sieht. Vom Kite gezogen, fahren sie wie auf Schienen durchs Wasser – mühelos, und lehnen sich locker und entspannt zurück. Wenn der Moment passt, heben sie ab und fliegen bis zu 10 Meter hoch. Dabei drehen sie sich ein paar Mal um die eigene Achse, landen sanft im Wasser und fahren unbeirrt weiter.
Das ist die perfekte Analogie zum Leben.
Die Meister fahren wie auf Schienen ihren Zielen und Wünschen entgehen, heben dazwischen zu Höhenflügen und waghalsigen Manövern ab, nur um danach den Weg weiterzugehen. Es ist beeindruckend und gleichfalls weckt es das Gefühl, dass man selbst so leben möchte. Zusätzlich strahlen diese Art zu leben und auch das Kitesurfen maximale Freiheit aus. Dazu kommen eine gigantische Verbundenheit und Koexistenz mit der Natur und überall schwingt Lebensfreude mit. Wer das erleben möchte, wird auf vielen Kitesurf-Hotspots der Welt fündig.
In meinen ersten Übungsstunden war ich trotz Unterstützung eines Kite-Lehrers maßlos überfordert. Häufiger krachte der Kite donnernd ins Wasser und es dauerte Minuten, bis er wieder in der Luft flog. Als der Drachen halbwegs unter Kontrolle schien, versuchte ich, das Board zu managen. Die ersten Versuche waren chancenlos auf der wässrigen Buckelpiste. Deshalb fuhr nicht mein Brett, sondern mein Körper durchs Wasser. Body dragging (Videolink) heißt das dann.
Da lernt man einen wichtigen Zusammenhang: Die Blickrichtung entscheidet, ob das Body dragging funktioniert. Als nach drei Tagen das Aufstehen auf das Board im Wasser etwas wackelig klappte und der Kite am Himmel flog, spürte ich Fortschritt und Vorankommen. Vermutlich war das so ähnlich, als ich vor vielen Jahren die ersten Schritte auf zwei Beinen machte.
Das Tolle nach den ersten Fehlversuchen ist, dass der Wasserwiderstand enorm sinkt, wenn man erst einmal fährt. Die Kraft des Windes haucht dem Fahrvergnügen gefühlt Lebensenergie ein.
Die ersten Kilometer auf dem Wasser
der Lagune in Kalpetiya in Sri Lanka fühlen sich lebendig und großartig an. Vor wenigen Tagen war undenkbar, was heute mit enormem Krafteinsatz halbwegs gelingt. Am letzten Tag gab es zusätzlich Tipps vom Lehrer, die sich wie Lebenshinweise anfühlten.
- Du musst dahin schauen, wo du hinfahren möchtest.
- Dazu den Kite halbhoch auf 45 Grad halten.
- Die Hüfte strecken.
Die Hüfthaltung ist für einen guten Laufstil die gleiche und einige Minuten später spürte ich die Analogie zwischen Laufen an Land und Fahren auf dem Wasser. Wer die Hüfte streckt und sich nicht „bequem hinsetzt“, der kommt im Laufen schneller, leichter und gesünder voran. Das gilt auch beim Kiten. Es braucht Vertrauen in die Zugkraft des Drachen, die Hüfte zu strecken und sich damit nach hinten zu lehnen. Doch wer sich der Zugkraft des Kites und der Windenergie hingibt, der wird von den Naturkräften durchs Wasser gezogen. Es braucht kaum Muskelkraft, um vom Wind scheinbar mühelos durchs Wasser gezogen zu werden. Die Unebenheiten der Wellen gleicht man mit federnden Knien aus. Die unendliche Freiheit der Natur ist fühlbar.
Bis ich 10 Meter hoch abhebe und mich dabei locker-leicht drehe, werden vielleicht noch ein paar Leben vergehen. Was ich in sechs Tagen beim Kiten gelernt habe, ist schon jetzt von großem Wert. Naturgesetze gelten überall. Wer die Augen offenhält und seine Blickrichtung bewusst setzt, erkennt, wie diese Gesetze wirken, und dass eigenes Glück und Zufriedenheit entstehen.
Deine praktische Übung:
Lege zwei Wochen fest, in denen du eine neue Sportart ausprobierst. Dabei erkenne und beantworte dir:
- Wann funktionieren die Abläufe/Aufgaben besser?
- Was sagt dir die Herangehensweise über dich aus? Was kannst du für deinen Job und Alltag daraus ableiten?
- Erkennst du in deinen Ausreden, wie du dir Wachstum und Glück verwehrst?
- Wie fühlst du dich außerhalb der Komfortzone?