Was bewirkt Authentizität?

Ich will so sein wie ich bin, mich nicht verstellen müssen. Doch will man Authentizität wirklich erleben? 

Gerade geht es im Wintersport heiß her, die Fußball WM trägt die letzten Spiele aus und letztes Jahr fanden die Olympischen Spiele in Tokio statt. Bei allen Veranstaltungen wollen Medien und Veranstalter Emotionen verkaufen, das ist das Sponsoring Business mit den Athleten. Allerdings gibt es klare Vorgaben, welche Emotionen gezeigt werden sollen und dürfen. Das sind ausgesprochene, teils vertragliche Regelungen. Doch der überwiegende Teil ist informell und ist in jedem Moment zu spüren. Wutausbrüche, Tränen und überschäumende Glücksgefühle – es darf alles sein. Doch nur im passenden Kontext und im passenden Rahmen. 

Ehrliche Emotionen sind wundervoll. Wenn Menschen zeigen, was sie fühlen und andere teilhaben lassen, – dann fühlen wir uns verbunden und erleben eine gefühlte Gemeinschaft. Im Umkehrschluss wirken Menschen, die nicht authentisch ihre Emotionen ausleben, schnell unnahbar und wenig glaubwürdig. So wird dem erfolgreichen Athlet mit einem Aufmerksamkeits Bonussystem ein Verhalten antrainiert und abverlangt, das als Resultat in einer exakten Positionierung zur Erreichung der wirtschaftlichen Imageziele der Partner mündet.

 

Wie hoch ist der Preis von Authentizität? 

Was ist, wenn ein Athlet genauso große Stimmungs- wie Leistungsschwankungen hat? Dann werden manche Pressekonferenzen gefühlt explodieren und Athleten zu einer Wundertüte der Gefühle. Das ist es nicht, was ein Sponsor, was ein Veranstalter, und sind wir ganz ehrlich zu uns selbst, auch die wenigsten Zuschauer wollen. Wir wollen neben der gefühlten Unsicherheit des Wettkampfes an vielen Stellen Sicherheit. Denn auch im Alltag lieben wir es, wenn wir wissen woran wir sind – wir schätzen Menschen binnen Sekunden ein. Diese Einschatzung und auch eine Anpassung braucht es im sozialen Miteinander. Man stelle sich vor, jeder Mitarbeiter und jeder Sportler würde in jedem Moment sagen, was er und sie denkt?

So schließt sich ein Kreis aus Erwartungen zu einer Schlinge um den Atem der Authentizität, die Luft wird dünner. Am Ende gibt es im Sport solche Athleten, die sich wieder Luft verschaffen und andere, die dieses Spiel der gewünschten Authentizität genauso wie ihre Leistungsfähigkeit maximieren.

Für mich war es unvorstellbar, auf einer Pressekonferenz von der Einsamkeit auf den Reisen zu erzählen oder vom Reizhusten, der mich nicht schlafen lies. Oder wie ich mich fühlte, als ich zur Startlinie umgeben von Gittern geführt wurde und Bilder vom Schlachthof in mir aufstiegen und reale Gefühle bewirkten. Jedes Gefühl habe ich selbst gewählt, unbewusst. Niemand hat mich gezwungen, ich war konditioniert und rannte wie die sabbernden Hunde dem niemals Erreichbaren hinterher. Eine Hatz und Treibjagd durch die Wettkämpfe der Weltmetropolen, bei der es emotional nichts zu gewinnen gab, weil ich jedes Mal ein Teil von mir verloren und verschwiegen habe. Doch möchte ich keine Minute missen und keine Entscheidung revidieren. Das ist mein Leben.

Bei allen Attributen, Erlebnissen und Facetten, die der Erfolg schenkt und zeigt, bleibt eine Frage offen: Wer bin ich, wenn ich authentisch bin? Bin ich dann vielleicht nicht lächelnd, freudig? Bin ich womöglich nicht auf Seriensiege programmiert? Bin ich manchmal ganz menschlich – und nicht immer siegreich? Wenn der Preis egal ist, zu sich selbst zu stehen, – wenn kein Gedanken an Sponsoren, Kollegen und Geschäftspartner oder sogar Freunde und Bekannte aufkommen, – dann spricht das Herz und der Verstand schweigt. Das sind die wundervollen Momente.

Es gibt viele Entscheidungen und Handlungen im Alltag, die gefühlt nicht gelingt. Darauf authentisch zu reagieren inkludiert Sätze, die wir selten oder nie nutzen. Wenn du Lust hast, finde Gelegenheiten diese ehrlich und authentisch jeden Tag auszusprechen:

  • Das weiß ich nicht.
  • Das kann ich nicht.
  • Das will ich nicht.
  • Das ist mir nicht gelungen.